Styrian Voices
Die Styrian Voices oder kurz STYV sind ein junger steirischer Pop-Chor, der zwar bereits im Jahr 2016 ins Leben gerufen wurde, nun aber seit 2020 eine neue Heimat am Johann-Joseph-Fux-Konservatorium gefunden hat. STYV will jungen Menschen aus der Steiermark eine Plattform bieten und ihre Kreativität, Musikalität und Begeisterung fördern. Betreut wird der Chor von Beatboxer Ivory Parker und Chorleiter Patrik Thurner. In jährlichen Castings werden von den STYV-Coaches die Sängerinnen und Sänger ausgesucht, die gemeinsam einen Jugend Pop-Chor bilden. Die Coaches haben sich spezialisiert auf Gesangstechnik, Interpretation, Staging und Performance.
Vorsingen finden jährlich im Herbst statt.
"Mit neuen Ohren"
Ein Bericht von Juliana Brantner
STYV - Styrian Voices, so heißen wir. Wir sind der junge Pop-Chor am Johann-Joseph-Fux-Konservatorium unter der Leitung von Patrik Thurner. Im Dezember 2021 erhielten wir eine Einladung zum Finale des größten Festivals für Vokalmusik in Nordeuropa, dem Aarhus Vocal Festival (kurz AAVF), der von 3. bis 6. Juni 2022 in Dänemark stattfand. Dieser zählt wie vokal.total, dem internationalen A Cappella Wettbewerb in Graz, zu den bedeutendsten Wettbewerben in Europa und weit über die Grenzen hinaus.
FREITAG, 3. Juni 2022 - Ankunft
Nach einer turbulenten Anreise, bei der ein Teil der Koffer verloren ging, tauchten wir abends dann zum ersten Mal so richtig in das Aarhus Vocal Festival ein: Gemeinsam mit hunderten anderen Teilnehmenden und dem legendären Chor „Vocal Line" sangen wir Leonard Cohens „Hallelujah" fürs dänische Nationalfernsehen. Schon zu diesem Zeitpunkt wird klar: Es ist kein normales Publikum, das da singt. Auf Fingerzeig entsteht völlig ungeprobt ein großer Chor aus Menschen, die sich noch nie zuvor gesehen haben. Und es klingt gut.
Danach beginnt das Eröffnungskonzert: „Tuuletar", die neu formierte „The Real Group" und das „Beatbox Collective" sorgen für Begeisterung in der ganzen Halle. Als die umfeierte Beatbox-Truppe dann auch noch UNSEREN Beatboxer und Coach Ivory Parker auf die Bühne holt, bekommt das AAVF erstmals zu spüren, wie laut 20 steirische Stimmen eigentlich sein können.
SAMSTAG, 4. Juni 2022
Am Samstag waren wir bereit für unseren Workshop bei Morten Kjær, gemeinsam mit einem Ensemble aus Kopenhagen. Als wir danach an der Reihe sind, unser Können zu zeigen, treffen sich einige Blicke in der Runde: Irgendwie ist allen bewusst, dass unser kleiner „Auftritt" unter der ersten Drucksituation den weiteren Verlauf des ganzen Wochenendes prägen wird. Und bereits nach den ersten Takten von „Survivor" ist klar: Wir sind so was von da! Der ganze Chor bebt vor Energie und Spaß, was auch vom Workshopleiter Morten und dem dänischen Ensemble geradezu bejubelt wird. Wir bekommen tolle Inputs, viel Lob und neue Ansätze - und gehen mit einem richtig guten Gefühl in unseren weiteren Proben und Workshops.
Am Nachmittag steht der Wettbewerb für Ensembles am Programm und wir sind schwer beeindruckt vom Können und den Performances. Wir sehen diese Gruppen, wir hören diese unglaublichen Sounds, wir sehen diese Performances und wir wissen: Das hier ist echtes „high level". Aber vielleicht sind wir das auch.
Wir werden von einer zur anderen Konzertlocation geschickt und erleben überall Beeindruckendes: ein Konzert der ätherischen „Åkervinda", Tänze im Garten des Musikhauses, ein Vocal-Painting-Erlebnis mit Jim Daus Hjernøe und RAMA, einen kurzen Tanzworkshop mit südamerikanischen und afrikanischen Rhythmen, Jodeln und Barbershop am Wegesrand oder einen klassischen Chor, begleitet von elektronischen Soundeffekten.
SONNTAG, 5. Juni 2022 - Tag des Wettbewerbs
Wie wir da so mit dem schönen Auftrittsoutfit auf Kleiderbügeln in der Hand nach einem geeigneten Probenplatz suchen, spüren wir das erste Mal diese nervöse Welle in der Magengegend: Heute ist es soweit! Nach einem kurzen Aufwärmen der allererste Song, gleich unser schwerstes Stück. Doch nach dem ersten Takt ist klar: Das haut hin. Die Probe verläuft gut und wir machen uns aufgekratzt auf den Weg zum Soundcheck.
Gerade noch sehen wir den Vorgängerchor kurz backstage, auf einmal stehen wir auf der Bühne und Patrik gibt unseren ersten Ton an. Es ist soweit. Das ist der Moment, auf den wir hingearbeitet haben. Wir haben monatelang in unseren Wohnzimmern gegen die Zoom'sche Zeitverschiebung angesungen, wir sind über abgesagte Konzerte hinweggekommen, wir haben in Schichten geprobt und mit Mundschutz gesungen, wir haben alle möglichen Vorkehrungen getroffen und uns dann doch angesteckt. Wir haben Mikrofone und Outfits gekauft, Zeit, Geld und Nerven investiert. Wir haben Prüfungen, Arbeit, Auftritte und wichtige Termine verschoben, unsere Familien, Kinder, PartnerInnen zuhause gelassen und uns endlos lange über Outfits, Songauswahl und Performance ausgetauscht - all das für diesen einen Moment.
Gefühlt Sekunden später ist alles vorbei. Wir fallen uns hinter der Bühne in die Arme und wissen kaum, ob es eigentlich viel Applaus gab, so schnell ist alles an uns vorbeigerauscht. Aber wir wissen: Es war gut, wir können stolz auf uns sein und das sind wir auch.
Es gibt klare Favoriten, die die Chance auf einen Platz am Podest doch sehr gering erscheinen lassen. Einig sind wir uns darüber, dass Patrik den Preis für das beste Arrangement des Pflichtstücks „Hollow Talk" eigentlich bekommen MÜSSTE.
Das Gala-Konzert wird beschlossen mit dem legendären „Viva la vida" im Arrangement von Vocal Line und ein riesiger Saal voller Menschen singt mit. Irgendwie haben wir das Gefühl, nach diesen Tagen und vor allem diesem Konzert mit anderen Ohren herumzulaufen als mit jenen, mit denen wir am Freitagmorgen losgeflogen sind. Es sind Ohren, die ganz anders hinhören. Ohren, die auch spüren können. Ohren, die hören, wo noch Platz ist für Harmonien und Rhythmus. Sie hören etwas, was noch gar nicht da ist, aber was noch kommen kann.
Die Gewinner des Wettbewerbs vom Nachmittag werden verkündet. Ein erster großer Jubel aus unserer Richtung geht los, als unsere Linda als „outstanding female vocalist" erwähnt wird und wir schon mal platzen vor Stolz. Dann wird der special award für das Arrangement verliehen und über STYV hängt ein angespanntes Luftanhalten.
„... and we would like to present the innovative arrangement award to Patrik Thurner and Styrian Voices" ist der Teil der Ansprache, den man noch hört. Danach erfüllt das ohrenbetäubende Jubeln unserer Truppe den Saal. Wir lassen einfach alles raus. Patrik hat mit seinem Arrangement den Preis gewonnen und hält nun auf der Bühne tatsächlich einen AAVF-Award in Händen.
MONTAG, 6. Juni 2022
Es ist 21:10 am Flughafen Wien, Ankunftshalle.
So verstreut wie unsere Gedanken und Gefühle sind, stehen wir in der Nähe des Gepäckbands, aber aus der einen Ecke vernehmen wir plötzlich zwei vertraute Stimmen: „I used to rule the world, seas would rise when I gave the word ..." Agnes und Helene haben „Viva la Vida" angestimmt, mitten im Flughafen, mitten unter all den Menschen. Und es dauert nicht lange und wir alle stimmen ein in die vielleicht harmonischste Interpretation dieses Stücks, die wir jemals gesungen haben. Wann aus dem zerstreuten Haufen Reisender ein plötzlich im Kreis stehender Chor geworden ist, kann keiner mehr sagen. Und ob rundherum Menschen zuhören oder eilig weiterlaufen, interessiert auch niemanden. Wir stehen hier als Styrian Voices und in diesem Moment ist alles einfach (pitch) perfect. Wir haben einen Satz neue Ohren bekommen in Aarhus und wir haben vor, sie zu benutzen.